Ich bin Lektor. Das weiß jeder, der mich kennt und sie natürlich auch, denn hey: wir sind seit ungefähr hundert Jahren zusammen. Aber sie interessiert sich nicht dafür. Also für meinen Beruf. Oder für mich. Für all die Bereiche an mir, die sie nicht direkt betreffen jedenfalls. Dann ruft sie mich im Büro an, wie so oft. Weil sie die Durchwahl hat. Nein, ich weiß nicht wieso. Vor allem weil sie sie meist nicht benutzt, sondern sich durchstellen lässt. Seufz!
„Hallo Schatz“, sagt sie. „Hi, was gibt’s denn?“ Und schon bin ich genervt: „Nichts! Darf eine Frau nicht mal ihren Mann auf der Arbeit anrufen, ohne dass es einen Grund gibt?“ Ihren Mann? Öh … Dabei war ich mir eigentlich echt sicher, dass ich sie nicht im Koma liegend geheiratet habe! „Also ich lektoriere“, sage ich und sie schnauft. Atmet voll laut ins Telefon! Wahrscheinlich findet sie mich schon wieder gefühllos und so. Ist mir egal! Ich muss echt arbeiten!
„Hast Du denn viel zu lektorieren?“, fragt sie schließlich und ich kann ihren Tonfall nicht deuten. „Klar. Ist auch schon alles rot“, sage ich leicht genervt und rede ein wenig. „Weil so rau?“, fragt sie und weil ich ihr schon nicht mehr zugehört hatte, nicke ich einfach und mache zustimmend „Mh-hmm!“. Ich will endlich auflegen! „Oooh … und wenn Du mich lektorieren würdest?“, fragt sie. Ich lache auf: „Dann wäre definitiv alles rot!“
Ich traue ihr eigentlich nicht zu, meinen Witz zu verstehen, aber trotzdem zucke ich schuldbewusst zusammen. Sie hingegen sagt vor dem Auflegen nur: „Na dann bis heute Abend!“ Etwas an ihrer Stimme kommt mir bekannt vor, aber ich weiß nicht was es ist. Und dann komm ich nach Hause. Liegt sie auf dem Schreibtisch. Ist sie vollkommen nackt! Ihre Arme sind an der Gardinenstange festgebunden. Wie auch immer sie das geschafft hat! Auf dem Ablagefach des Sekretärs liegt ihr bescheuertes Buch: „50 Shades of Gray“. „Na los, leck-torier‘ mich!“, schreit sie mich an und fügt lasziv flüsternd hinzu: „Bis ich überall rot bin!“