Als sie auf mich zugerannt kommt, sieht sie aus wie jemand, der irgendwo geflohen ist. Ihr vollkommen in Unordnung gebrachtes Haar wippt unrhythmisch auf und ab und ich brauche einen Moment, bis ich verstehe, dass das daran liegt, dass sie humpelt. Ich blicke auf ihre Beine, die in einem kurzen senfgelben Rock stecken. Und ihr linkes Schienbein ist über und über mit Blut beschmiert. Ich stelle meine Augen schärfer und spüre, wie sich mein Mund ungläubig öffnet – aber es bleibt dabei: Ihr linkes Schienbein ist voller Blut!
„Schatz!“, schreit sie und ich schlucke. Noch nicht fähig zu sprechen. Ich blicke mich auf dem Parkplatz, auf dem ich auf sie warte um. Sehe niemanden. Ob sie sich geprügelt hat? Oder ob sie gestürzt ist? Eigentlich wollten wir essen gehen. Daraus wird wohl nichts, massakriert wie sie ist. „Sind die noch hinter mir?!“, fragt sie außer Atem, als sie bei mir ankommt. Ihr Gesicht ist dreckig und nass. Ich tippe auf Tränen. „Sag mal, was ist denn los mit dir?! Du blutest ja! Wer ist hinter dir? Niemand ist hinter dir!“ Ich packe sie an den Schultern. Sie ist vollkommen aufgelöst. „Bist du hingefallen?“ frage ich unbeholfen.
„NEIN!“ Ein Ruck, der sich empört und stolz zugleich anfühlt, geht durch ihren schlanken Körper. „Ich hab‘ mir das Knie aufgeschlagen! An der Mauer!“ Bitte? Ich starre sie fassungslos an. „Ich brauchte einen Grund, um durch das Hotel fliehen zu können!“, fügt sie hinzu. Ich blicke über ihre Schulter. Ja in der Tat, sie kam geradewegs von der Rückseite eines Vier-Sterne-Hotels. Aber, wieso?
„Zwei Männer haben mich verfolgt! Ich bin sie nicht losgeworden und …“, sie unterbricht sich selbst und brüllt mich dann an: „Du warst ja nicht da!“ Ich will mich verteidigen, aber sie plappert weiter: „Ich hab mir das Knie aufgeschlagen, damit die im Hotel meine Not sehen und mich durch den Hinterausgang fliehen lassen!“ Noch bevor ich auch nur eine einzige Frage stellen kann, kramt sie in ihrer Handtasche. Befördert eine Packung Taschentücher und einen Tesa-Abroller hervor. Was zum Teufel schleppt diese Frau um Himmels Willen alles mit sich herum? „Los!“ Sie drückt mir beides in die Hand. „Verbinde mich!“