Familienfeier. Wie ich so Feiern hasse! Vor allem, wenn es nicht meine Familie ist und ich sowieso nur abwertenden und nicht ernstnehmenden Lesben-Blicken ausgesetzt bin. Meine Ex hatte vorher nur Freunde. Jetzt hat sie mich. Ein Mädchen. Mädchen. Urgh! Sicher nur eine Phase. So erzählt man sich. Oder sie will ihrem Ex nur eins auswischen. Natürlich. Dass sie sich tatsächlich in mich verliebt haben könnte, wird kategorisch ausgeschlossen – ganz nach dem Motto: Die woll’n doch nur spielen!
Ich sitze am Tisch, der eigentlich eine riesige Rittertafel in einer Burg ist. Nicht in einer Burg, sondern in einem voll besuchten Restaurant. Ich mag ihre Familie auch einfach nicht. Der Vater ist nett, aber der Rest … Ihre Oma wird heute 65. Es sind über 30 Personen eingeladen. Es ist unfassbar laut. Irgendwann nicht mehr. Irgendwann verstummen alle. Nacheinander, wie in einem schlechten Film. Ich sehe mich überrascht um und suche nach dem Grund.
Meine Ex sitzt mir schräg gegenüber, denn nicht mal zusammen irgendwo sitzen dürfen wir. Immerhin wurden wir nicht an den Kindertisch ausgelagert. Meine Ex hält sich die Hände vors Gesicht, ich verstehe aber nicht wieso. Von allen Seiten wird sie plötzlich getätschelt. Was ist denn nur passiert? Vielleicht hätte ich weniger auf meinen mit Essen beladenen Teller starren und mit den Nudeln spielen und mich stattdessen mehr auf meine bessere Hälfte konzentrieren sollen.
Sie nimmt die Hände weg und greift zur weißen Serviette. Aus ihrer Nase strömt das Blut, bedeckt ihre schönen Lippen und kurz darauf auch ihr Kinn. Bevor der Tropfen auf den Tisch oder ihren Teller tropft, drückt sie sich die Serviette ins Gesicht, die sich schnell rot verfärbt. Von allen Seiten höre ich Zurufe. Kopf in den Nacken. Kaltes Wasser. So Sachen. Ich sehe wie ihre Oma mit der Cousine meiner Ex tuschelt. Ich würde gerne etwas machen, bin aber wie gelähmt.
Gerade als ich zum Bad gehen und kaltes Wasser besorgen will, ruft ihre Oma durch das ganze Restaurant: „Ein Tampon! Du musst Dir einen Tampon in die Nase stecken! Das ist das beste Mittel und dann wird das Essen auch nicht schlecht! Haha!“ Strahlend und mit dem – sowieso viel zu dicken – Tampon sprintet sie auf meine Ex zu. Ich zögere noch einen Moment, stehe dann aber doch wie geplant auf, um im Bad zu verschwinden. Das kalte Wasser landet allerdings nur in meinem Gesicht und nach draußen möchte ich mich auch nie wieder trauen!